castel-del-monte
© fotos: das turandot fotoarchiv, berlin

Fotos von Castel del Monte

   

Der Begriff
Castel del Monte gilt als die berühmteste Burg der Welt, obwohl das Bauwerk eigentlich gar keine Burg ist, denn dazu fehlen die typischen architektonischen Details wie Festungsgraben, Verteidigungsanlagen, Burgfried und Zugbrücke. Für einen längeren Aufenthalt scheint das Kastell ebenfalls nicht zu genügen, denn es finden sich keine Unterkünfte für Gesinde, Vorratskammern für Lebensmittel oder Stallungen. Im Gegensatz dazu hat das Gebäude ein kirchenähnliches Portal, hohe Fenster und dekorative Verzierungen. Auch der Begriff  "Kastell", erst Ende des 15. Jahrhunderts gebräuchlich, kann nicht der ursprüngliche Name sein.

In einsamer, karger  Landschaft, erbaut auf einem sanften Hügel, ragt schon aus der Ferne das apulische Castel-del-Monte, auch die "Krone Apuliens" genannt, hervor.

 

Wer mit dem Auto anreist, kann ohne großen Umweg einen Abstecher über den idyllischen Hafenort Trani einplanen, denn besonders der Dom S. Nicola Pellegrino, direkt am Meer gelegen, lohnt den Besuch. Die Kathedrale wurde von 1097 bis ca. 1360 in romanischem Stil erbaut.

Fotos von Trani

 

Außenansicht
In der Nähe der Dörfer Andria, Ruovo, Corato und Minervino Murge gelegen, führt die Straße S.S. 170 und Teile der S.S. 98  zu dem, besonders im Frühjahr oder Herbst  nicht all zu sehr von Touristen überlaufenden Ausflugsziel. Schon am Horizont wird die Erhebung mit dem Schloss, zunächst fast unwirklich wie eine Fata Morgana sichtbar und zieht den Reisenden magisch an. Das Kastel wirkt imposanter und eindrucksvoller je mehr sich der Abstand verringert. In unendlicher Einsamkeit scheint sich ein magischer Ort zu erheben (540 m ü. M.). Das Auge verweilt an der ungewöhnlichen oktagonalen Form mit den ebenfalls achteckigen Türmen an jeder Ecke. Die Strenge der Architektur besticht. Das Achteck ist vollkommen - jede Seite ist exakt 16,5 m lang. Um die Außenwand herum läuft in halber Höhe ein Sims, welches die beiden Stockwerke trennt. In etwa zwei Metern Höhe umsäumt ein weiteres Sims die Außenmauer und markiert damit das Fundament, auf dem die Türme aufsetzen. Auf der gleichen Linie in östlicher Richtung liegt auch das Hauptportal, zu dem zwei aufeinander zulaufende Treppen führen. In genau entgegengesetzter Richtung liegt das Westportal - eine Art Nebentor. Das Gebäude, exakt nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet,  wurde aus glatten, perfekt behauenen sandfarbenen Kalksteinquadern erbaut. Je nach Lichteinstrahlung und Feuchtigkeit wirkt der Stein zuweilen auch rosafarbig. Die Fenster, Portale und Innenräume wurden mit weißem Marmor und korallroten Brekzien verziert. An jeder Außenwand des Oktogons befinden sich ein einbogiges Fenster im unteren  und ein zweibogiges mit Dreipassbogen im oberen Stockwerk, außer bei der Zwischenwand auf der Nordseite, wo ein dreibogiges Fenster zu sehen ist. Jeweils über den Fenstern wurde im Bogenfeld eine Rosette eingefasst. Zur weiteren Verzierung befinden sich am Außenrand der Fenster kleine Säulen mit Kapitellen und Bogenleisten aus korallfarbigen Brekzien. Von den Erbauern des Schlosses Caserta für die Verschönerung des dortiges Parkes  gestohlen, fehlen heute alle ursprünglich aus weißem Marmor bestehenden Mittelsäulen der Fenster.  Natur und Architektur vereinen sich hier auf ungewöhnliche und schöne Weise. Vom Kastell aus genießt der Besucher den weiten Panoramablick über die apulische Landschaft.

Innenansicht
Im Inneren des Kastells liegt ein ebenfalls achteckiger, nach oben hin offener Hof. Von dort aus gemessen beträgt die Höhe der Wände 20,5 Meter. Die Türme sind nur wenig höher. Alle trapezförmigen 16 Säle, jeweils acht in jeder Etage sind miteinander verbunden. Dabei gehören die längeren Seiten zur Außenwand, die kürzeren zum Hof. Zwischen jeweils zwei Sälen liegen die Turmräume mit Wendeltreppe, kleineren Zimmern zum Ankleiden und - schon recht modern - die Toiletten. Obwohl im Mittelalter rechtsdrehende Treppen die Norm sind, weil  potentielle Angreifer dann auf der engeren rechten Seite schlechter die Waffen handhaben konnten, dafür aber die Verteidiger der Burg beim Hinuntersteigen viel mehr Bewegungsfreiheit besaßen, wurde dieses Sicherheitsprinzip hier genau umgekehrt, denn alle Treppen drehen sich nach links. (Das Wehrprinzip im Mittelalter geht nur von Rechtshändern aus, Linkshändigkeit galt als Teufelswerk). Wie es scheint, ahmt hier der Bau die linksdrehenden Spiralformen der Natur nach wie sie zum Beispiel bei einer Schnecke sichtbar sind. Drei Portale führen zum Innenhof, im oberen Stockwerk eröffnen drei hohe Fenstertüren den Einblick zum Hof. Es wird vermutet, dass es einst einen hölzernen Rundbalkon gab, der diese Öffnungen miteinander verband. Weitere unterschiedlich gestaltete Fenster sind ebenfalls in die Wände zum Hof eingelassen, so dass in jedem  Raum Licht von innen wie von außen dringt.

Obwohl alle Räum in  Größe und Form eines gleichmäßiges Trapezes identisch sind, gibt es doch unterschiedliche Verbindungselemente zu den Türmen, dem Innenhof und dem Außenraum. Zwei der acht Räume im Erdgeschoss öffnen sich durch das Haupt- und  Nebenportal nach außen, dafür fehlt ein Zugang zum Hof. Es gibt Durchgangssäle, die zwei oder drei Türen haben und sogenannte Endsäle mit nur einer Tür, jeweils zwei im Erdgeschoss und zwei ersten Stockwerk. Einer davon ist der sogenannte Thronsaal, der sowohl von der Innen- wie von der Außenseite beleuchtet wird. Da der Raum im Osten liegt, scheint die Morgensonne durch das Innenhoffenster. Der Thronsaal sollte wohl rein repräsentative Zwecke erfüllen, denn ein Kamin und auch die sonst diskret im Turm versteckte Toilette fehlen.  Jeder der acht Räume im oberen Stockwerk wird zweimal am Tag von der Sonne beschienen, im Erdgeschoss funktioniert dies nur im Sommer. 

Geschichte
Am 29. Mai 1240 ordnet Kaiser Friedrich II. (1212 - 1250) in einem Dekret den Bau des Kastells an, mit dem wahrscheinlich sogleich begonnen wurde. Allerdings zog sich die Vollendung bis zum Jahr 1250 hin, dass die Forschung heute davon ausgeht, dass Kaiser Friedrich II. das Kastell, wahrscheinlich nie und wenn doch nur einmal kurz vor seinem Tod 1250 besucht hat. Sicher ist, dass es als "Jagdschloss" - im Mittelalter war das Gebiet mit dichtem Wald bewachsen - nie genutzt wurde, dafür aber als  Gefängnis für die Stauferenkel Friedrich, Heinrich und Enzo, die Karl I. von Anjou nach dem Untergang der Staufer hier festsetzte. Die besondere architektonische Form des Bauwerkes veranlassen aber bis heute die Forscher zu Spekulationen über die eigentliche Bestimmung und Nutzung, die  Friedrich II. vorgeschwebt haben mag. Denn die Innenräume waren wertvoll und üppig ausgestattet - zu reichhaltig, um den Komplex lediglich als Jagdschloss zu nutzen. Die einmalige, einsame Lage in  schönster Landschaft, die besonderen Feinheiten und Raffinessen in den geometrischen Abmessungen, die auch Nichtesotherikern den Hauch von Mystik und Magie vermitteln, lassen vermuten, dass das Kastell der Repräsentation kaiserlicher Macht und Kultur sowie als Symbol für Wohlstand und Wissen dienen sollte.

Das Thema des Achtecks - Symbol des Wissens
Friedrich II.
war ein vielseitig begabter und gebildeter Herrscher, der kulturelle Anregungen gern aufgriff und Architekten, Mathematiker, Musiker, Literaten und Astrologen um sich versammelte. Er förderte Universitäten, ließ antike Werke übersetzen und machte sie so  einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich. Er selbst beteiligte sich an Forschungen und diskutierte mit Gelehrten. Kein Wunder, dass das Wissen seiner Zeit, gerade in bezug auf die Religion und die Mathematik in großem Umfang die Konstruktion des Kastells beeinflusste. Wir sehen die Regeln des goldenen Schnitts in den Proportionen des Hauptportals erfüllt, ebenso wie die Elemente der Zahlenmystik, so wie dies schon für kultische Bauwerke der Antike maßgebend war.  Acht ist die Ziffer des kosmischen Gleichgewichts. Die oktogonale Form des Kastells ist der Versuch einer Verbindung zwischen Kreis und Quadrat, beziehungsweise zwischen Himmel und Erde. Aus der Luft  sieht das Kastell  wie ein riesiger Brunnen aus. Im Innenhof stand selbst einst ein Brunnen, der aber bis heute nicht rekonstruiert wurde. Aus dieser Sichtweise könnte man das Bauwerk als Synthese der drei kosmischen Ebenen Himmel, Erde und Hölle betrachten ebenso wie als Zusammenspiel der drei Naturelemente Wasser, Erde und Luft. Das Bild des Brunnens steht außerdem für das Synonym "Brunnen der Weißheit" (des "Wissens" oder der "Wahrheit").

Das Geheimnis
Wozu das Gebäude wirklich dienen sollte, bleibt bis heute ein unenträtseltes Geheimnis? Eine Vielzahl von Hypothesen versuchen Erklärungen zu finden, aber keine überzeugt. Stattdessen werfen sie neue Fragen auf. Ist Castel del Monte eine Sonnenuhr oder symbolisiert es die Fluglinie eines Gerfalken (Gerfalken waren die Lieblingstiere Friedrichs II.), oder liegt in der architektonischen Konstruktion ein mathematischer Beweis?

Nutzung
Im Gegensatz zu den reichhaltigen Vermutungen über Sinn und Zweck des Gebäudes stehen die Zeugnisse der realen Geschichte.
Neben ein paar Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten im 14. und 15. Jahrhundert, bot Castel del Monte den Adelsfamilien aus Andria während der Pest 1656 Schutz. Seit dem 18. Jh. verwaiste das Gebäude zusehends, zerfiel und war der Zerstörung und Plünderung aller Marmor- und Einrichtungsgegenstände preisgegeben. So wurden neben den schon erwähnten Marmorsäulen für Caserta auch die aufwendigen Fußbodenintarsien aus weißem Marmor und Schiefer herausgebrochen. Hirten nutzten das Gemäuer als Unterschlupf für ihre Schafe. Erst 1876 erwarb der italienische Staat für 25.000 Lire das Kastell, um es vor der entgültigen Zerstörung zu retten. Dennoch wurde erst 1928 mit den notwendigen Restaurierungsarbeiten - auch unter wissenschaftlichen Aspekten - begonnen, die bis zum Ende der 80er Jahre andauerten.

Castel del Monte wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

zurück zur Startseite