Der Begriff
Castel del Monte gilt als die
berühmteste Burg der Welt, obwohl das Bauwerk eigentlich gar keine Burg ist, denn
dazu fehlen die typischen architektonischen Details wie Festungsgraben, Verteidigungsanlagen, Burgfried und Zugbrücke.
Für einen längeren Aufenthalt scheint das Kastell ebenfalls nicht zu
genügen, denn es finden sich keine Unterkünfte für Gesinde,
Vorratskammern für Lebensmittel oder Stallungen. Im Gegensatz dazu hat
das Gebäude ein kirchenähnliches Portal, hohe Fenster und dekorative
Verzierungen. Auch der Begriff "Kastell", erst Ende des
15. Jahrhunderts gebräuchlich, kann nicht der ursprüngliche Name sein.
In einsamer, karger
Landschaft, erbaut auf einem sanften Hügel, ragt schon aus der Ferne das
apulische Castel-del-Monte, auch die "Krone Apuliens" genannt,
hervor.
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Außenansicht
In der Nähe der Dörfer Andria, Ruovo, Corato und Minervino Murge gelegen, führt die Straße S.S.
170 und Teile der S.S. 98 zu dem, besonders im Frühjahr oder
Herbst nicht all zu sehr von Touristen überlaufenden Ausflugsziel. Schon
am Horizont wird die Erhebung mit dem Schloss, zunächst fast unwirklich
wie eine Fata Morgana sichtbar und zieht den Reisenden magisch an. Das
Kastel wirkt imposanter und eindrucksvoller je mehr sich der Abstand
verringert. In unendlicher Einsamkeit scheint sich ein magischer Ort zu
erheben (540 m ü. M.). Das Auge verweilt an der ungewöhnlichen
oktagonalen Form mit den ebenfalls achteckigen Türmen an jeder Ecke. Die
Strenge der Architektur besticht. Das
Achteck ist vollkommen - jede Seite ist exakt 16,5 m lang. Um die
Außenwand herum läuft in halber Höhe ein Sims, welches die beiden
Stockwerke trennt. In etwa zwei Metern Höhe umsäumt ein weiteres Sims
die Außenmauer und markiert damit das Fundament, auf dem die Türme
aufsetzen. Auf der gleichen Linie in östlicher Richtung liegt auch das
Hauptportal, zu dem zwei aufeinander zulaufende Treppen führen. In genau
entgegengesetzter Richtung liegt das Westportal - eine Art Nebentor. Das
Gebäude, exakt nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet, wurde aus glatten,
perfekt behauenen sandfarbenen Kalksteinquadern
erbaut. Je nach Lichteinstrahlung und Feuchtigkeit wirkt der Stein
zuweilen auch rosafarbig. Die Fenster, Portale und Innenräume wurden mit
weißem Marmor und korallroten Brekzien verziert. An jeder Außenwand des
Oktogons befinden sich ein einbogiges Fenster im unteren und ein
zweibogiges mit Dreipassbogen im oberen Stockwerk, außer bei der
Zwischenwand auf der Nordseite, wo ein dreibogiges Fenster zu sehen ist.
Jeweils über den Fenstern wurde im Bogenfeld eine Rosette eingefasst. Zur
weiteren Verzierung befinden sich am Außenrand der Fenster kleine Säulen
mit Kapitellen und Bogenleisten aus korallfarbigen Brekzien. Von den
Erbauern des Schlosses Caserta für die Verschönerung des dortiges Parkes
gestohlen, fehlen heute alle ursprünglich aus weißem Marmor bestehenden
Mittelsäulen der Fenster. Natur und
Architektur vereinen sich hier auf ungewöhnliche und schöne Weise. Vom
Kastell aus genießt der Besucher den weiten Panoramablick über die
apulische Landschaft.
Innenansicht
Im Inneren des Kastells liegt ein ebenfalls achteckiger, nach oben hin offener
Hof. Von dort aus gemessen beträgt die Höhe der Wände 20,5 Meter. Die
Türme sind nur wenig höher. Alle trapezförmigen 16 Säle, jeweils acht in jeder Etage
sind miteinander verbunden.
Dabei gehören die längeren Seiten zur Außenwand, die kürzeren zum Hof.
Zwischen jeweils zwei Sälen liegen die Turmräume mit Wendeltreppe,
kleineren Zimmern zum Ankleiden und - schon recht modern - die Toiletten. Obwohl im Mittelalter
rechtsdrehende Treppen die Norm sind, weil potentielle Angreifer
dann auf der engeren rechten Seite schlechter die Waffen handhaben
konnten, dafür aber die Verteidiger der Burg beim Hinuntersteigen viel mehr
Bewegungsfreiheit besaßen, wurde dieses Sicherheitsprinzip hier genau
umgekehrt, denn alle Treppen drehen sich nach links. (Das Wehrprinzip im
Mittelalter geht nur von Rechtshändern aus, Linkshändigkeit galt als
Teufelswerk). Wie es scheint, ahmt hier der Bau die linksdrehenden
Spiralformen der Natur nach wie sie zum Beispiel bei einer Schnecke
sichtbar sind. Drei Portale führen zum Innenhof, im oberen Stockwerk
eröffnen drei hohe Fenstertüren den Einblick zum Hof. Es wird vermutet,
dass es einst einen hölzernen Rundbalkon gab, der diese
Öffnungen miteinander verband. Weitere unterschiedlich gestaltete Fenster
sind ebenfalls in die Wände zum Hof eingelassen, so dass in jedem
Raum Licht von innen wie von außen dringt.
Obwohl alle Räum in
Größe und Form eines gleichmäßiges Trapezes
identisch sind, gibt es doch unterschiedliche Verbindungselemente zu den
Türmen, dem Innenhof und dem Außenraum. Zwei der acht Räume im
Erdgeschoss öffnen sich durch das Haupt- und Nebenportal nach
außen, dafür fehlt ein Zugang zum Hof. Es gibt Durchgangssäle, die zwei
oder drei Türen haben und sogenannte Endsäle mit nur einer Tür, jeweils
zwei im Erdgeschoss und zwei ersten Stockwerk. Einer davon ist der
sogenannte Thronsaal, der sowohl von der Innen- wie von der Außenseite
beleuchtet wird. Da der Raum im Osten liegt, scheint die Morgensonne durch
das Innenhoffenster. Der Thronsaal sollte wohl rein repräsentative Zwecke
erfüllen, denn ein Kamin und auch die sonst diskret im Turm versteckte
Toilette fehlen. Jeder der acht Räume im oberen Stockwerk wird
zweimal am Tag von der Sonne beschienen, im Erdgeschoss funktioniert dies
nur im Sommer.
Geschichte
Am 29. Mai 1240 ordnet Kaiser Friedrich
II. (1212 - 1250) in einem Dekret den Bau des Kastells an, mit dem wahrscheinlich
sogleich begonnen wurde. Allerdings zog sich die Vollendung bis zum
Jahr 1250 hin, dass die Forschung heute davon ausgeht, dass Kaiser Friedrich II. das
Kastell, wahrscheinlich nie und wenn doch nur einmal kurz vor seinem Tod
1250 besucht hat. Sicher ist, dass es als "Jagdschloss"
- im Mittelalter war das Gebiet mit dichtem Wald bewachsen - nie genutzt
wurde, dafür aber als Gefängnis für die Stauferenkel Friedrich,
Heinrich und Enzo, die Karl I. von Anjou nach dem Untergang der Staufer
hier festsetzte. Die besondere architektonische Form des Bauwerkes
veranlassen aber bis heute die Forscher zu Spekulationen über die
eigentliche Bestimmung und Nutzung, die Friedrich II. vorgeschwebt
haben mag. Denn die Innenräume waren wertvoll und üppig ausgestattet -
zu reichhaltig, um den Komplex lediglich als Jagdschloss zu nutzen. Die
einmalige, einsame Lage in schönster Landschaft, die
besonderen Feinheiten und Raffinessen in den geometrischen Abmessungen,
die auch Nichtesotherikern den Hauch von Mystik und Magie vermitteln,
lassen vermuten, dass das Kastell der Repräsentation kaiserlicher
Macht und Kultur sowie als Symbol für Wohlstand und Wissen dienen sollte.
Das Thema des Achtecks -
Symbol des Wissens
Friedrich II. war ein vielseitig begabter und gebildeter Herrscher,
der kulturelle Anregungen gern aufgriff und Architekten, Mathematiker,
Musiker, Literaten und Astrologen um sich versammelte. Er förderte
Universitäten, ließ antike Werke übersetzen und machte sie so
einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich. Er selbst beteiligte
sich an Forschungen und diskutierte mit Gelehrten. Kein Wunder, dass das
Wissen seiner Zeit, gerade in bezug auf die Religion und die Mathematik in
großem Umfang die Konstruktion des Kastells beeinflusste. Wir sehen die
Regeln des goldenen Schnitts in den Proportionen des Hauptportals erfüllt, ebenso wie die Elemente der
Zahlenmystik, so wie dies schon für kultische Bauwerke der Antike
maßgebend war. Acht ist die Ziffer des kosmischen Gleichgewichts.
Die oktogonale Form des Kastells ist der Versuch einer Verbindung zwischen
Kreis und Quadrat, beziehungsweise zwischen Himmel und Erde. Aus der Luft
sieht das Kastell wie ein riesiger Brunnen aus. Im Innenhof stand
selbst einst ein Brunnen, der aber bis heute nicht rekonstruiert wurde.
Aus dieser Sichtweise könnte man das Bauwerk als Synthese der drei
kosmischen Ebenen Himmel, Erde und Hölle betrachten ebenso wie als
Zusammenspiel der drei Naturelemente Wasser, Erde und Luft. Das Bild des
Brunnens steht außerdem für das Synonym "Brunnen der
Weißheit" (des "Wissens" oder der "Wahrheit").
Das Geheimnis
Wozu das Gebäude wirklich dienen sollte, bleibt bis heute ein
unenträtseltes Geheimnis? Eine Vielzahl von
Hypothesen versuchen Erklärungen zu finden, aber keine überzeugt.
Stattdessen werfen sie neue Fragen auf. Ist
Castel del Monte eine Sonnenuhr oder symbolisiert es die Fluglinie eines
Gerfalken (Gerfalken waren die Lieblingstiere Friedrichs II.), oder liegt
in der architektonischen Konstruktion ein mathematischer Beweis?
Nutzung
Im Gegensatz zu den
reichhaltigen Vermutungen über Sinn und Zweck des Gebäudes stehen die
Zeugnisse der realen Geschichte. Neben ein paar Hochzeiten und
anderen Feierlichkeiten im 14. und 15. Jahrhundert, bot Castel del Monte
den Adelsfamilien aus Andria während der Pest 1656 Schutz. Seit dem 18.
Jh. verwaiste das Gebäude zusehends, zerfiel und war der Zerstörung und
Plünderung aller Marmor- und Einrichtungsgegenstände preisgegeben. So
wurden neben den schon erwähnten Marmorsäulen für Caserta auch die
aufwendigen Fußbodenintarsien aus weißem Marmor und Schiefer
herausgebrochen. Hirten nutzten das Gemäuer als Unterschlupf für ihre Schafe. Erst 1876
erwarb der italienische Staat für 25.000 Lire das Kastell, um es vor der
entgültigen Zerstörung zu retten. Dennoch wurde erst 1928 mit den
notwendigen Restaurierungsarbeiten - auch unter wissenschaftlichen
Aspekten - begonnen, die bis zum Ende der 80er Jahre andauerten.
Castel del Monte wurde von der
UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
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