Die
literarische Epoche des Spätmittelalters
(1270-1500)
- eine Werkauswahl
Mit
dem Aufkommen der Geldwirtschaft und den
ersten Städtegründungen sowie der
Etablierung eines neuen bürgerlichen
Standes verlor der Adel an Macht und
Einfluss. In den Städten bildete sich
eine eigene Kultur heraus; es gab Schulen,
Universitäten, Bildungseinrichtungen,
deren Aufgabe es u.a. war, Kunst und Kultur
zu fördern. Mit dem zunehmenden Zerfall
des Rittertums und des Lehnswesens rieben
sich die Adelsfamilien in gegenseitigen
Fehden auf. Das Land spaltete sich
in viele kleine Territorialfürstentümer.
So verlor auch die höfische Literatur an
Qualität und entwickelte sich zu einer
reinen Unterhaltungsform. Ebenso kam es
zur Spaltung der Kirche; dem Papst wurde
ein Gegenpapst in Avignon gegenübergestellt.
In
den aufblühenden Städten kam es im 14.
Jh. zum Machtkampf zwischen den Patriziern
auf der einen Seite und den Zünften und
Gilden auf der anderen. Die
Handwerker und Berufsstände forderten im
Rat der Städte eine stärkere Mitsprache
und Demokratisierung, zumal durch ihre
Leistungen Wirtschaft und Wohlstand blühten.
Die Städterinnen und Städter konnten
lesen und schreiben, Bildung und Literatur
konsumieren und traten bereits als Mäzen
neben dem Adel auf. Mit Erfindung der
Buchdruckerkunst (um 1440) konnte
Literatur beliebig vervielfältigt werden.
Dichter gingen auf Reisen und übten so
ihren Beruf aus, während die
Meistersinger des 15. Jhs. nebenberuflich
und unentgeltlich ihr literarisches Können
vorführten.
Die
ersten Mystiker waren zwar Adlige, doch
trugen auch
später bürgerliche Laien diese philosophische
Geistesströmung voran. Neben
der in den Klöstern betriebenen
Ordensliteratur und anderen geistlichen
Themen wandte man sich auch historischen
Stoffen zu.
Im
ausgehenden Mittelalter verdüsterte sich
die Stimmung: Kriege, Hungersnöte, Städtebrände
und die Pest wüteten in den deutschen
Landen. Von Untergangsvisionen geplagt,
wurde das Thema des Weltendes in der
Literatur zum Thema.
Während
die Kirche in den Schriften Aristoteles'
immer mehr eine Gefahr sah, zog Thomas von
Aquin (1225-1274) diese heran, um das Dogma
von der Eigenständigkeit der Erfahrungen,
auch der Sinne sowie der Welt als Welt zu
belegen. Unbefriedigt von der
wissenschaftlichen Scholastik, in der der
Glaube an Gott begrifflich und
erkenntnistheoretisch analysiert wurde,
wandten sich vielen Menschen den Mystikern
zu. Die Mystiker vertraten die Ansicht, dass
jedem Menschen der göttliche Funke
innewohne, so nur er danach suche und er
den erdverhafteten Leib zu überwinden
vermochte. Diese Lehren fußten auf den
Schriften des bereits 500 n.Chr. lebenden
Pseudo-Dionysius Areopagita, dem Vater der
europäischen Mystik. Die wichtigsten
Interpreten und Anhänger dieser
Lebensphilosophie waren Bernhard von
Clairvaux (1091-1153), Franz von Assisi
(gest. 1226) und der Franziskaner
Bonaventura (1221-1274) , deren Schriften
von den Gelehrten des 14. Jhs. wieder
entdeckt wurden. Neben der Mystik
der inneren Frömmigkeit entwickelte sich
entgegen den Dogmen der Kirche eine
Form der spekulativen
Weltanschauung, die Gefühlsmystik und
zugleich praktische Mystik, die vor allem
das Leben der Frauen in breitem Maße
beeinflusste. Der Mariendichtung mit ihrem
gefühlsbetonten und persönlichem
Ausdruck liegen diese mystischen Ideen
zugrunde.
Wiederum
wurden französische Vorbilder wie die
"Chansons de geste" als
Unterhaltungsprosa in Deutschland
nachgeahmt. Verglichen mit den Artusepen
waren diese aber eher derb und roh.
Aufgrund
der zahlreichen Fürstentümer wurden die
regionalen Dialekte und Mundarten wieder
gepflegt. Auch wenn quantitativ viel
Literatur produziert wurde, sank dennoch
die Qualität ab, da das Formgefühl
abhanden kam. Nimmt man die Schriften der
Mystik aus, so stellt man fest, dass die
Lehr-, Gelegenheits- und politische
Dichtung sowie Reise- und
Geschichtsbeschreibungen, der Schwank, die
Chroniken und das rein unterhaltende
Fastnachtsspiel (15. Jh.) in Versmaß und
Strophe keine höheren literarischen Ansprüche
befriedigen konnte. Die weltliche
Unterhaltungsliteratur wurde mit
schauspielerischen Elementen verbunden und
vorwiegend in Wirtshäusern, Privaträumen,
seltener auf öffentlichen Plätzen aufgeführt.
Da auch das Ansehen der Frau sank, die
sich in erster Linie um das Haus und die
Familie zu kümmern hatte, kamen die
ersten Zoten auf.
Die
Lyrik zerfiel, blieb inhaltlich an den
einst höfischen Vorbildern verhaftet, was
im 13. Jh. zu einem blumigen Stil führte.
Der Minnesang löste sich einerseits durch
eine ungenaue Überlieferung im
Volkslied auf und wurde andererseits durch
den Meistersang weiter entwickelt. Dieser
wiederum beeinflusste die Spruchdichtung
der fahrenden Sänger.
Das
geistliche Volkslied, welches geistliche
Texte mit einer weltlichen Melodie
verband, wurde gepflegt. Haupttypen
des geistlichen Spiels, welches man vor
der Kirche oder auf dem Marktplatz aufführte,
wurden im 14. Jh. das Passions-,
Fronleichnams-, Legenden- und
Mysterienspiel. Eine Blütezeit gab es
beim Spruch und bei der Lehrdichtung, die später
oft in die Satire überging.
Mit
dem Beginn wissenschaftlicher Studien und
Aufzeichnungen entstand eine deutsche
Prosa. Seit Mitte des 14. Jhs. gab es
Briefe, Selbstbiographien,
Geschichtsschreibung, Bibelübersetzungen
und epische Romane in Prosa- statt in
Reimform. Die für das breite Bürgertum
ausgelegten Volksbücher entstanden
allerdings erst im 16. Jh.
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