Woher stammt der Begriff "Ei des Kolumbus" überhaupt?
Ganz genau ist die Entstehung dieses
geflügelten Wortes nicht zu belegen. Wahrscheinlich geht es auf eine
Erzählung von Girolamo Benzoni über die Geschichte der Neuen Welt (Historia
del mondo nuovo, Venedig 1565) zurück. Der Autor kannte diese Begebenheit wiederum nur
vom Hörensagen. Danach soll Kolumbus nach seiner ersten Reise nach
Amerika bei einem Gastmahl bei Kardinal Mendoza im Jahre 1493 auf die
allgemein geäußerte Behauptung, seine Entdeckung sei gar nicht so
außergewöhnlich gewesen, wenn man nur früher daran gedacht hätte, ein Ei
genommen und die übrigen Gäste gefragt haben, wer es auf einem der beiden
Enden zum Stehen bringen könne. Als dies keinem gelang, nahm Kolumbus das
Ei und drückte es durch Aufschlagen an einem Ende ein, so dass es stand. Von
einer ähnlichen Geschichte weiß Vasari in seiner "Vite de più
eccellenti architetti, pittori e scultori italiani", erschienen 1550,
zu berichten. Der Baumeister Filippo Brunelleschi (gest. 1444) wollte bei
einer Versammlung von Architekten, die über den Bau des Doms zu Florenz
beraten wollten, sein Modell den anderen Architekten nicht zeigen, weil
diese seine theoretischen Ausführungen über den Kuppelbau als
undurchführbar getadelt hatten. Bei dem daraus resultierenden Streit,
machte Brunelleschi den Vorschlag, derjenige, dem es gelänge, ein Ei
aufrecht auf eine Marmorplatte zu stellen, der solle auch die Kuppel des
Domes erbauen. Nachdem er allein, diese Aufgabe auf die bereits erwähnte
Weise löste und die anderen Architekten erbost erwiderten, dass diese
Problemlösung ja keine Kunst sei, antwortete Brunelleschi, dass auch der
Kuppelbau für keinen der Anwesenden mehr eine Schwierigkeit gewesen wäre,
wenn sie sein Modell gesehen hätten.
Auf Brunelleschi passt die Anekdote mit dem Ei besonders gut, weil die
Kuppel des Doms zu Florenz tatsächlich die Form eines an der Spitze
eingedrückten Eies besitzt. Hingegen
weist J. H. Mordtmann in der Zeitschrift "Der Islam", Zeitschrift
f. Geschichte u. Kultur des islamischen Orients, hrsg. v. C. H. Becker (Straßburg
1922, Nr. 12, S. 190 ff) nach, dass die Erzählung vom stehenden Ei
orientalischen Ursprungs ist. Also
hat sich Kolumbus, wenn ihm diese Anekdote zu recht zugewiesen wurde,
wahrscheinlich eines Tricks bedient, der zu seiner Zeit gerade in Mode kam,
um den eigenen Erfinder- und Entdeckergeist vor den Abwertungen seiner
Zeitgenossen hervorzuheben. Denn auch die einfachste Idee oder Erfindung muss erst einmal umgesetzt werden. zurück |