Leonardos
Abendmahl - das Werk
Leonardo arbeitete von 1495 bis 1497/1498 an dem Gemälde,
welches die Nordwand des Refektoriums einnimmt. Die Dominikanermönche nahmen
ihre Mahlzeiten in diesem Raum ein. Dargestellt wird der Moment des
Abendmahles, in dem Jesus seinen Jüngern verkündet, dass einer
unter ihnen, ihn noch am selben Abend verraten wird.
Auftraggeber war Ludovico il Moro, der das Kloster
zur Grablage seiner Familie erwählt hatte. Er ärgerte sich sich
wohl genau wie der Abt über die Langsamkeit, mit der
Leonardo ans Werk ging. Zeitweise ließ dieser sich gar nicht im
Refektorium blicken und kümmerte sich lieber um andere Arbeiten
oder gab sich seinen zahlreichen wissenschaftlichen Studien hin. Doch
Leonardo brauchte die Zeit, um sich über die Gestaltung des Themas
klar zu werden. Zuweilen stand Leonardo auch stundenlang in Gedanken
versunken auf dem Gerüst, ohne einen Pinselstrich
auszuführen.
Andauernd studierte Leonardo auch auf den Straßen
Mailands die Gesichter der Menschen, immer auf der Suche nach dem
passenden Gesichtsausdruck für die Jünger und Jesus. Vor allem die
Darstellung des Judas bereitete ihm Probleme. Einem Gerücht
zufolge, soll Leonardo zum Vorbild für seinen Judas den Prior des
Konvents Santa Maria delle Grazie genommen haben, weil dieser
den Künstler permanent voller Ungeduld mit Fragen über die
Fertigstellung des Werkes traktiert hatte. Wahrscheinlich war dies
allerdings nur ein Scherz, denn auch Leonardo konnte es sich nicht
leisten, seine Auftraggeber derart zu verprellen.
Berühmt wurde
das Gemälde hauptsächlich durch die Anordnung der Personen in
Dreiergruppen an der Tafel sowie durch die
"psychologische" Darstellung in Mimik und Gestik der
Apostel. Die zweite Dreiergruppe zeigt Petrus, Johannes und Judas.
Petrus neigt sich zu Johannes - die Hand auf seiner Schulter - und
hat dabei versehentlich Judas (4. von links) von vorne gestoßen.
Dadurch rückt Judas Gesicht in den Schatten. Leonardo hat mit
seiner Darstellung erstmals die Figur des Judas in die Gruppe der
Jünger einbezogen und durch sein erschrockenes Zurückweichen
kenntlich gemacht.
Bei der Restaurierung
und dem Abtragen der nachträglichen Übermalungen wurde u.a. auch
die ursprüngliche Lichtführung Leonardos wieder sichtbar. Nach
hinten öffnet sich der Raum im Bild und wirkte so für die Mönche
wie eine Verlängerung ihres eigenen Speisesaals. Beim Betrachten
der Zinnteller und Gläser, in denen sich die Farben der Gewänder,
der vor ihnen sitzenden Apostel widerspiegelt, wird Leonardos Umgang
mit dem Licht ebenfalls sehr deutlich.
Leonardos Komposition zeigt Jesus mit ausgebreiteten
Armen auf Brot und Wein deutend im Zentrum des Bildes, der Türbogen über der rückwärtigen
Tür bildet gleichsam eine Art Heiligenschein um sein Haupt. Thema
des Bildes ist also auch die Einsetzung der Eucharistie. Jesus
ist Mittelpunkt und Ruhepol des Bildes, während die Jünger durch
Jesus' Ankündigung in Unruhe und Aufregung geraten sind. Sie sitzen
Jesus zur
Seite, jeweils rechts und links in zwei Dreiergruppen. Durch Gestik und Mimik halten die dargestellten Personen
untereinander Kontakt, einzig Judas wirkt ausgeschlossen und in
sich gekehrt.
Leonardo strebte im "Letzten
Abendmahl" die Einheit zwischen Figur und Raum an -
perfekt die Perspektive: verlängert man die Fluchtlinien der oberen Tür-
und Raumbegrenzungen, so laufen diese allesamt auf Jesus zu.
Leonardo, der stets mit neuen Techniken der Malerei
experimentierte, verzichtete auch hier auf eine bewährte
Fresko-Methode und wählte eine Art magerer Temperafarbe, um das
Gemälde aufzutragen. Diese neue Methode ermöglichte ihm erst, in
seiner gewünschten Langsamkeit zu arbeiten.
Doch bereits zu Leonardos Lebzeiten litt das Gemälde
unter der Feuchtigkeit der Refektoriumsmauer und zeigte bald starke
Beschädigungen. Feine Haarrisse ließ Leonardo selbst übermalen.
Doch der Zustand des Gemäldes verschlechterte sich über die
Jahrhunderte rapide. Im 17. Jh. überzog ein weißlicher Schleier
das ganze Kunstwerk, dessen Farben immer mehr verblassten.
Allmählich ähnelte die Oberfläche einer Ansammlung von Reptilienschuppen.
Aber trotz aller Mängel in der Beschaffenheit wurde
das Gemälde noch zu Leonardos Lebzeiten hoch gelobt, bewundert und
kopiert. Der
französische König Franz I. wollte sogar die gesamte
Refektoriumsmauer abtragen und nach Frankreich schaffen lassen. Auch Goethe betrachtete
1788 Leonardos Meisterwerk mit Begeisterung und schrieb über die Gestik und Mimik der Apostel in
seinen Reisenotizen: "...alle Glieder nehmen teil an jedem
Ausdruck des Gefühls, der Leidenschaft, ja des Gedankens."
Generationen von Restauratoren überlegten und
erfanden z.T. auch dilettantische Methoden wie das Gemälde zu
retten sei und scheuten sich auch nicht, die eigenen Vorstellungen
von der Darstellung über die Originalität des Werkes zu stellen.
Deshalb wurden etliche Gesichter im Lauf der Zeit völlig entfremdet.
Es ist ein Wunder, dass Leonardos fast zu Tode restauriertes
Werk uns heute noch erhalten geblieben ist. Daran änderten auch die
zahlreichen bewaffneten Konflikte nichts - sei es, dass das
Refektorium als Pferdestall missbraucht wurde oder als 1943 eine Bombe auf
das Bauwerk fiel, die glücklicherweise nur die Südwand des Raumes
traf.
1987 inszenierte Andy Warhol eine umstrittene
Hommage an Leonardo, in dem er eine Gruppe von 22 Bildern
ausstellte, auf denen er das "Abendmahl" im
Siebdruckverfahren mehrmals doppelte, seriell aneinander
reihte
und in Segmente zerlegte.
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