Beim
quantitierenden Versbau der
altgriechischen und altrömischen
Verskunst entsteht der Versrhythmus
durch die historisch bedingten
Quantitäten (Sprechdauerzeit der
Silben von lang und kurz).
Beim
akzentuierenden Versbau der deutschen,
englischen u.a. Verskunst sind
Hebungen und Senkungen des Versrhythmus
grundsätzlich an den natürlichen
Sprachduktus angepaßt, so daß Vers-
und Sprachbetonung übereinstimmen.
Beim
alternierenden Vers wechseln Hebungen
und Senkungen miteinander ab. Die
kleinste rhythmische Einheit des Verses
ist der steigende oder fallende Versfuß.
Ein
steigender Versfuß mit einer Senkung
heißt Jambus = ~
_
( ~ = unbetonte [korrekte
Darstellung nur als einfacher, nach oben
offener Bogen]/ _ = betonte
Silbe)
Ein
steigender Versfuß mit zwei Senkungen
heißt Anapäst= ~~_
Ein
fallender Versfuß mit einer Senkung
heißt Trochäus= _ ~
Ein
fallender Versfuß mit zwei Senkungen
heißt Daktylus= _~~
So
gibt es Gedichte und Verse mit
steigendem, fallendem sowie wechselndem
Rhythmus. Als Versschmuck gelten der Stabreim
und der Reim in verschiedenen Formen,
die Assonanz. Das Hinausreichen
eines Satzes über das Versende nennt
man Versbrechung oder Enjambement.
Oft steht ein unbetontes Wort, Auftakt
genannt, am Versanfang: In
unterirdischer Kammer wird metrisch
so dargestellt, daß man den Auftakt
"In" abteilt: ~|
_~_~~_~.
Bekannte
Versarten mit einem steigenden Rhythmus
sind der Alexandriner, der jambische
Funffüßler (Fünfheber),
der reimlose Blankvers, der jambische
Vierfüßler (Vierheber), den
besonders Schiller in seinen Balladen
verwendet. Verse mit fallendem Rhythmus
sind der trochäische Vierfüßler
(vgl. Schiller "Hero und Leander"),
der trochäische Fünffüßler
(vgl. Schiller "Hektors Abschied"),
der Hexameter und der Pentameter.
Alte
deutsche Verse sind der Stabreimvers, ursprünglich
eine achthebige Langzeile, die aus zwei
vierhebigen Kurzzeilen besteht und durch
Stabreim gebunden ist, der Nibelungenvers
und die Knittelverse.
In
der modernen Lyrik verwendet man
vielfach freie Rhythmen.
Die
einzelnen Verse werden zur Strophe
verbunden. Strophenformen sind: Alkäische
Strophe, Distichon, lyrische
Strophe des Minnesangs (Aufgesang),
Sonett, Terzine und Stanze.
Der
Ursprung der griechischen und römischen
Metrik, die keine Verwandtschaft mit der
Verslehre der übrigen indogermanischen
Sprachen aufweist, ist unklar. Der
Hexameter tritt völlig durchgebildet in
Erscheinung, die übrigen Formen
entstehen im 7. und 6. Jh. v. Chr.; mit
dem 4. Jh. ist die Ausbildung aller
Formen beendet.
Die
lateinische Metrik ist eine Nachahmung
der griechischen, abgesehen vom Saturnier.
Die Quantität der Silben (Prosodie
genannt) ist etwa die gleiche, jedoch
wurde auf die langen Schlußvokale
zumeist verzichtet. Tiefgreifende
Unterschiede im Gegensatz zur
griechischen Versbildung zeigen die
Dramatiker der republikanischen Ära wie
z. B. Plautus durch die Teilung bisher
unteilbarer Langsilben (Longa).
Außerdem verwendet er zwischen kurz und
lang schwankende (anceps) Akkorde vor
seinen Schlußsilben statt kurze
(breve). Im Hexameter werden die
Zäsuren anfangs breiter gehandhabt als
im Griechischen. Vergil führt aber
diese Strenge wieder ein, verwendet sie
aber an anderen Versstellen. Horaz
ersetzt in seinen lyrischen Strophen das
anceps durch das
longum (Langsilben) und regelt
die Zäsuren sehr streng. Die Strophik
der griechischen Chorlyrik haben die
Römer nicht übernommen.
Die
deutsche Verswissenschaft hat sich lange
mit den Theorien der quantitierenden
antiken Metrik befaßt und versuchte,
diese schematisch auf den
akzentuierenden deutschen Vers zu
übertragen. Erst im 20. Jh. ging man
dazu über, den Vers nicht mehr in bezug
auf sein Erscheinungsbild, sondern in
bezug auf seinen Klang hin zu
erforschen. Damit wurde der Begriff
Metrik zweideutig. In seiner
ursprünglichen Interpretation war
der ganze Umfang der Verslehre
gemeint. Heute erklärt Metrik
bezüglich des deutschen Verses nur noch
dessen schematische Ordnungen. Dafür
erweitert sich das Gebiet der deutschen
Verslehre gegenüber der antiken
um Aussagen über die Schemata der
Reimstellung.
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